Gesamtkonzept der städtischen Friedhöfe
Antrag zu Top 5 der Sitzung des Ausschusses für Planung und städtische Betriebe am 30. März 2023
24.03.2023 Anträge Meldungen FDP-Fraktion Bergheim
Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
die Friedhöfe sind für viele Menschen sehr sensible und besondere Orte. Hier gilt es bei notwendigen Gestaltungsfragen im Hinblick auf die Zukunft aller 14 städtischen Friedhöfe zum einen Sorgfalt, aber vor allem auch wichtige Beteiligungsschritte zu beachten. Ziel ist es, die Menschen mitzunehmen und für notwendige Veränderungen zu öffnen, aber auch ein Feedback zu erhalten, welche Ideen mitgetragen werden.
Die FDP-Fraktion beantragt daher:
- Die Ortsbürgermeister aller Stadtteile in den Diskussionsprozess (zum Beispiel im Rahmen einer Ortsbürgermeisterkonferenz) mit einzubeziehen.
- Die Durchführung einer öffentlichen Veranstaltung (stadtteilspezifisch oder stadtteilübergreifend) zum Thema „Der Friedhof in und mit Zukunft“ durchzuführen. Es sollen Gestaltungsideen benannt und gezeigt werden, aber auch Wünsche, Ideen und Anregungen eingesammelt werden. Denn der Friedhof der Zukunft muss gestaltet werden.
In den letzten Jahrzehnten hat sich die Sterbe- und Beerdigungskultur in unserer Gesellschaft massiv verändert. Dem gilt es auch in der Gestaltung und Abfassung der Friedhofsordnung Rechnung zu tragen. Die Gründe sind vielfältig, einige seien nachstehend aufgeführt:
- Menschen verlängern die Gräber ihrer Angehörigen nicht mehr.
- Verstorbene haben keine Angehörigen vor Ort, die sich kümmern (können). Sie suchen nach Alternativen, die sie nicht finden.
- Es werden vermehrt Urnengräber nachgefragt, weniger Reihen- oder Familiengräber.
- Menschen suchen Alternativen zur traditionellen Beerdigung auf dem kommunalen Friedhof (Friedwald, Seebestattung, anonyme Bestattung, …).
- Sterbekultur insgesamt verändert sich.
Dabei wird der Friedhof als Ort in Zukunft mehr denn je gebraucht:
- Es versterben in Deutschland immer mehr Menschen. Die geburtenstarken Jahrgänge („Babyboomer“) kommen erst noch.
- Menschen muslimischen Glaubens beerdigen ihre Angehörigen zunehmend vor Ort, lassen die Verstorbenen nicht mehr in das jeweilige Herkunftsland fliegen (die Gräberreihen in Ahe zum Beispiel verdichten sich in einem enormen Tempo und sorgen für einen Friedhof neben dem Friedhof).
In dem Zusammenhang stellen sich unserer Meinung nachfolgende Fragen, auf die wir als Rat, aber auch als kommunale Gesellschaft Antworten finden müssen:
- Wenn weniger Menschen in Bergheim beerdigt werden, obwohl insgesamt mehr Menschen versterben werden, wo werden sie dann beerdigt? Welche Beerdigungsformen und Grabformate sowie Pflegeangebote wünschten sie sich vor Ort, um sich in unserer Stadt beerdigen zu lassen? (Das würde auch die Kosten pro Beerdigung auf Dauer eher verringern, da die hohen Fixkosten dann auf mehr Grabstellen umgelegt werden können.)
- Die Menschen werden älter und begleiten verstorbene Menschen länger (Verweildauer auf dem Friedhof wird länger). Der Friedhof wird zu einem Begegnungs-, Austausch- und Verweilort, insbesondere für ältere Menschen, deren Partner*in dort beerdigt ist. Hierfür braucht es Angebote (Sitzgelegenheiten, Verweilangebote). Wie kann man das gestalten?
- In heißen Sommern („Klimawandel“) sind gut begrünte Friedhöfe Oasen, in denen es sich gerade ältere Menschen gut gehen lassen können (Baumschatten). Wie können wir das ausbauen?
- Welche Angebote gibt es für Menschen, die keine familiären Angehörigen mehr haben oder deren familiären Angehörigen nicht vor Ort leben? Dies betrifft insbesondere die Grabpflege?
- Wie gehen wir mit verstorbenen Menschen um, deren Nachlass keine würdige geordnete Beerdigung vorsieht?
- Ein immer größerer Bevölkerungsanteil hat ausländische Wurzeln und ggf. andere Vorstellungen von Tod und Beerdigung, die sich bisher nicht in den gängigen Friedhofssatzungen wiederfinden. Wie bilden wir das ab?
- Wie drücken wir die gesellschaftliche Vielfalt auch in der Sterbekultur aus?
- Welche Angebote können Friedhofsgärtner und andere verwandte Berufsgruppen (zum Bei-spiel Steinmetzgenossenschaft) machen, um Friedhöfe attraktiver zu gestalten?
Wir haben uns beispielhaft auf dem Kölner Friedhof Melaten umgesehen. Der Geschäftsführer der Genossenschaft Kölner Friedhofsgärtner eG war so freundlich, uns durch die Anlage zu führen und von deren Lösungsangeboten zu berichten. Diese Angebote zeichnen sich durch fachmännische Grabgestaltung, naturnahe Bepflanzung und vor allem Ruhe aus. Dazu zählen zum Beispiel Bestattungsgärten. Das sind gartenähnliche Anlagen, die zugleich Teil eines Friedhofs sind. Darin eingebettet finden sich Urnen- und Erdbestattungsplätze, die sowohl im akuten Sterbefall als auch zur Vorsorge zu Lebzeiten ausgewählt werden können.
Da die dauerhafte Pflege durch kompetente und qualifizierte Kölner Friedhofsgärtner übernommen wird, grünen und blühen Bestattungsgärten das ganze Jahr über. Hinterbliebene finden so stets eine top gepflegte Grabstätte vor.
Es werden – je nach Standort – verschiedene Themengärten zu einer Gesamtanlage harmonisch zusammengefügt. Dabei dürfen auch Plätze zum Verweilen nicht fehlen. Diese Themengärten lauten:
- Rosengarten
- Garten der Lichter
- Spuren des Lebens
- Ruhehain
- Bauerngarten
- Auengarten
- Naturwiese.
Dies sind individuelle Pflegeangebote, die die Genossenschaft Kölner Friedhofsgärtner betreibt. Konkret: die Friedhofsgärtner übernehmen in Kooperation mit der städtischen Friedhofsverwaltung leerstehende Flurstücke auf dem Friedhof und planen neue Gräberfelder, wo sich Menschen einen Platz „kaufen“ können. Als Garantie für die Pflege durch die zuständigen Friedhofsgärtner muss ein Dauergrabpflegevertrag über den Zeitraum des Nutzungsrechtes (25 Jahre) abgeschlossen werden.
Zur Unterstützung einer ökologisch sinnvollen Friedhofsnutzung erfolgt zudem eine enge Zusammenarbeit mit dem NABU Köln, der z.B. Wildbienenhotels in den Bestattungsgärten aufstellt. Das Ziel ist auch die Ansprache von Menschen, die während ihres Lebens einen Bezug zur Natur gelebt haben. Alternativen gibt es ebenfalls: der Rosengarten erinnert eher an traditionelle Wahlgräber, der Bauerngarten ist rustikal angelegt, der Garten der Lichter soll an japanische Gärten erinnern und enthält Lichtelemente in den Grabmalen.
Eine weitere Möglichkeit sind Kolumbarien. Also Wände, in denen Urnen eingemauert werden können. Es gibt sicherlich viele weitere Gestaltungsideen, die zusammen zu tragen sind.
Entscheidend ist, dass wir Wege finden, die die städtischen Friedhöfe aktiver für die Zukunft machen. Das wiederum geht nur mit den Menschen vor Ort. Ziel muss und sollte es sein, dass sich die in Bergheim lebenden Menschen auch nach ihrem Tod ein Verweilen auf einem städtischen Friedhof in Bergheim vorstellen können. Das gelingt dann, wenn die Pflege der Gräber gewährleistet werden kann. Dazu braucht es verlässliche Partner*innen. Das gelingt auch, wenn die Beerdigungsformate vielfältiger und individueller werden. Denn: Je mehr die Menschen Alternativen außerhalb von Bergheim suchen umso teurer wird die Friedhofsunterhaltung für die Verbleibenden.
Aus den genannten vielfältigen Gründen macht es Sinn, diese sensible, gleichwohl wichtige Thematik mit großer Beteiligung der Bürger*innen anzugehen.
Mit freundlichen Grüßen
Alfred Friedrich
Fraktionsvorsitzender
Alfred Friedrich
Vorsitzender der FDP-Fraktion im Rat der Kreisstadt Bergheim